Stefan Schapdick, «Der gebundene Starke (Mk 3,27) als markinisches Programm einer Umwertung der Werte.», Vol. 95 (2014) 546-569
Mk 3,27 offers various functions within the context of the Second Gospel narrative. First, pertaining to the successful exorcisms of Jesus, it refuses allegations of Jesus being an ally of Satan (Mk 3,22). Mk 3,27 depicts Satan as the incapacitated strong man, no one Jesus might be in league with. Second, by assigning the role of the nameless criminal to Jesus the verse ridicules perceptions which portray him as a religious and social misfit (Mk 3,21-22.30). By acting «feloniously» against Satan and later dying as a convicted felon in Jerusalem Jesus solely executes God’s final soteriological will.
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Der gebundene Starke (Mk 3,27) als markinisches
Programm einer Umwertung der Werte
William Shakespeare widmet sich in seiner Tragödie Macbeth
den verheerenden Folgen, die Ehrgeiz und Machtstreben auf den
Menschen haben können. Dabei legt er offen, wie sich der
Mensch in Sünde und Schuld verstrickt und damit die als gut und
gesichert angesehene menschliche Lebensordnung, ja sogar die
Natur aus den Fugen bringen kann. In Macbeth liegen der sichtbaren
Welt übernatürlich böse und gute Kräfte zugrunde, die den Lauf
der Dinge beeinflussen. Dazu gehören auch die drei unheimlichen
Schwestern (Hexen), die gleich zu Anfang des Dramas die Bühne
betreten und den Heerführer und Hauptprotagonisten Macbeth mit
ihrer Weissagung, er sei jetzt Thane of Cawdor und werde zudem
noch König, in die Irre führen (vgl. Act 1, Scene 3). Die Hexen
offerieren Macbeth jedoch keine sichere, sondern eine unvollständige,
ja verzerrte Zukunft. Zwar wird Macbeth Thane of Cawdor;
sein Königsein wird jedoch nur dadurch Realität, dass er den
bisherigen König Duncan gerade aufgrund dieser Prophezeiung
ermordet. Insofern lässt sich Macbeth durch die zweideutigen
Weissagungen der Hexen täuschen; das Gute, die Königswürde,
ist nur um den Preis des abgrundtief Bösen, eines Mordes, zu
erlangen. Damit sind alle Wertungen von gut und böse in ihr
Gegenteil verkehrt. Dieser Rollentausch der Werte verdichtet sich
am Ende der ersten Szene des ersten Aktes im Gesang der
Schwestern: “Fair is foul, and foul is fair” (Gut ist böse, und böse
ist gut!) 1.
Diese Umkehrung der Werte, die bei Shakespeare eine Störung
göttlich legitimierter Natur- und Moralordnung anzeigt, begegnet
vielfach in der menschlichen Literaturgeschichte, ja sogar in den
Schriften des Neuen Testaments. Bester Beleg ist ein Jesuswort,
das zuerst im Markusevangelium begegnet: Mk 3,27 (vgl. Mt
1
Text zitiert nach The Oxford Shakespeare. The Complete Works. Second
Edition (eds. J. JOWETT – W. MONTGOMERY – G. TAYLOR – S. WELLS) (Oxford
– New York 2005) 969-994.
BIBLICA 95.4 (2014) 546-569