Wolfgang Schütte, «Die Entstehung der juda-exilischen Hoseaschrift», Vol. 95 (2014) 198-223
The book of Hosea was composed a short time after the Assyrian conquest of Israel and by a group of Israelites that had fled to Judah. The kernel of the book comes from a series of critical statements about cultic personnel and Israel's society. The book integrated later reflections on national guilt and tried to infuse religious hope to the Israelite refugees in Judah.
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Die Entstehung der juda-exilischen Hoseaschrift
Archäologische Funde zeigen das letzte Viertel des 8. Jh. v.Chr.
als Phase intensiver Schriftlichkeit in Palästina 1. In Juda werden
nach der assyrischen Eroberung Israels (720 v.Chr.) neben judäi-
schen auch israelitische Schrifttypen verwendet. Solche Funde er-
gänzen das Bild einer wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen
Entwicklung Judas nach dem Untergang Israels durch israelitische
Flüchtlinge 2. Sie unterstützen die These, dass die Tradition der
schriftprophetischen Verkündigung von Hosea und Amos in Israel
nach 720 v.Chr. von israelitischen Tradenten im Fluchtland Juda li-
terarisch bearbeitet und fertiggestellt wurde.
Dieser Aufsatz setzt meine Untersuchungen zu einer juda-exili-
schen israelitischen Entstehungsgeschichte der Amosschrift fort 3.
Nicht das babylonische Exil Judas ab 597/586 v.Chr., wie gewöhn-
lich vermutet wird, sondern bereits die Flucht von Israeliten nach
Juda seit Beginn assyrischer Annexionen im syrisch-ephraimitischen
Krieg 734/733 v.Chr. löste das Verlangen nach schriftlich fixierter
und reflektierter Glaubenstradition aus. Insbesondere die ältere
schriftprophetische Literatur visiert zugleich judäische und (vorran-
gig) israelitische Zielgruppen in Juda an 4. Ich unterstelle ihr, dass
sie im Kern eine israelitische, im Fluchtland Juda verfasste, religiöse
Literatur ist, die sich mit der Politik des Zufluchtslandes und einer
erhofften Rückkehr nach Israel selbst auseinandersetzt. Die An-
1
J. RENZ, “Die vor- und außerliterarische Texttradition. Ein Beitrag der
palästinischen Epigraphik zur Vorgeschichte des Kanons”, Die Textuali-
sierung der Religion (ed. J. SCHAPER ) (FAT 62; Tübingen 2009) 53-81.
2
Dazu vgl. I. FINKELSTEIN – N.A. SILBERMAN, “Temple and Dynasty:
Hezekiah, the Remaking of Judah and the Rise of the Pan-Israelite Ideology”,
JSOT 30 (2006) 259-285. Siehe auch F. STAVRAKOPOULOU, King Manasseh
and Child Sacrifice (BZAW 338; Berlin 2004) 73-99.
3
W. SCHÜTTE, “Israels Exil in Juda und die Völkersprüche in Am 1-2”,
Bib 92 (2011) 528-553, DERS., “Die Amosschrift als juda-exilische israeliti-
sche Komposition”, Bib 93 (2012) 520-542.
4
Zu grundsätzlichen literaturhistorischen Erwägungen eines israelitischen
Exils in Juda s. W. SCHÜTTE, “Wie wurde Juda israelitisiert?”, ZAW 124
(2012) 52-72.
BIBLICA 95.2 (2014) 198-223