Wolfgang Schütte, «Die Entstehung der juda-exilischen Hoseaschrift», Vol. 95 (2014) 198-223
The book of Hosea was composed a short time after the Assyrian conquest of Israel and by a group of Israelites that had fled to Judah. The kernel of the book comes from a series of critical statements about cultic personnel and Israel's society. The book integrated later reflections on national guilt and tried to infuse religious hope to the Israelite refugees in Judah.
03_Schutte_198-223 15/07/14 12:17 Pagina 202
202 WOLFGANG SCHÜTTE
Da die Beschreibung historischer theologischer Überlegungen
nicht recht gelingen kann ohne deren Verortung in Raum und Zeit,
geht meiner Darstellung theologischer Gedanken der Hoseaschrift
zunächst eine Begründung voraus, in welcher Relation hos. Texte
zueinander stehen dürften. Um diese Aufgabe zu lösen, scheinen
mir “sudden changes in person and number, repetitions, expansions,
or inconsistencies in thought” 17 ungeeignete Kriterien für redaktio-
nelle Scheidungen zu sein, da sie moderne Einschätzungen vor die
Wahrnehmung eines alten Textes rücken und den Text über Gebühr
zergliedern können. Näher steht mir der von W. Gisin verfolgte Weg,
zunächst die Vernetzung des Textes durch bestimmte Worte, Bilder
und Motive zu erschließen 18. Anders als Gisin habe ich mich jedoch
auf einige wenige, formale Signale beschränkt, die auf Texteinheiten
hinweisen, sowie auf häufig im Text genannte Zielgruppen, deren
Vorkommen und Funktion in ihrem Kontext untersucht wurde 19.
Die aus der Textanalyse gewonnenen Einsichten werden ge-
nutzt, um synthetisch ein Bild der Weltsicht zu zeichnen, die hos.
Tradenten zu ihrer Zeit entwickelten. Fokussiert möchte ich be-
schreiben, was nach hos. Verständnis aus einer zu- oder abkehren-
den Begegnung von Gott und Mensch zu erhoffen ist.
zu interpretieren, denn “it is appropriate to indicate the general scholarly con-
sensus that a reasonable terminus ad quem for the existence of the final form
of the book permits such reading” (38). Auf diese Möglichkeit einer Textausle-
gung, die eine Grundvoraussetzung der Tradition der älteren Hoseaschrift ist
und die sich als homiletische Aufgabe zu allen Zeiten seit deren Abfassung und
bis heute stellt, soll hier nicht näher eingegangen werden. Wenn jedoch E. BEN
ZVI, Hosea (FOTL XXI A/1; Grand Rapids, MI 2005) 12-19 diesen Gedanken
dahin entwickelt “a postmonarchic setting for the present book of Hosea is
more likely” (14), so soll seiner These mit meinem Gegenentwurf wider-
sprochen werden.
17
So der kompositionskritische Leitfaden von YEE, Composition, 49.
18
Vgl. GISIN, Hosea, 7.19-24, und W. SCHÜTTE, Säet euch Gerechtigkeit.
Adressaten und Anliegen der Hoseaschrift (BWANT 179; Stuttgart 2008) 23-26.
19
Die Ergebnisse des folgenden Kapitels sind ausführlich begründet in
SCHÜTTE, Gerechtigkeit. Gerade bei den von mir betrachteten Zielgruppen
hat GISIN, Hosea, 47, zwischen Volksbezeichnungen und “Kinder” bzw.
“Haus” plus Volksnamen nicht ausreichend differenziert. Diese Nivellierung
hindert ihn, zeitgeschichtlich fassbare, redaktionelle Prozesse wahrzunehmen.