Wolfgang Schütte, «Die Entstehung der juda-exilischen Hoseaschrift», Vol. 95 (2014) 198-223
The book of Hosea was composed a short time after the Assyrian conquest of Israel and by a group of Israelites that had fled to Judah. The kernel of the book comes from a series of critical statements about cultic personnel and Israel's society. The book integrated later reflections on national guilt and tried to infuse religious hope to the Israelite refugees in Judah.
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DIE ENTSTEHUNG DER JUDA-EXILISCHEN HOSEASCHRIFT 203
II. Die Textgliederung der Hoseaschrift
Es bestehen große Schwierigkeiten, einzelne Hoseatexte zeitlich
einzuordnen. Abgesehen von einer historischen Bestimmung der
hos. Verkündigung in Hos 1,1 findet sich keine zeitliche Näherbe-
stimmung einzelner Worte. Der gesamte Text gibt kaum Hinweise,
wie er nach seinem Aufbau zu verstehen sei. Allein Hos 3,1-5 wird
von allen alten Textzeugen und der exegetischen Tradition als ab-
gegrenzte Episode verstanden 20. So läßt sich in der Hoseaschrift
nur grob ein von (pseudo?-)biographischem Material geprägter An-
fang (Hosea 1–3) von schriftprophetischem Spruchgut (Hosea
4–14) unterscheiden. Bestimmte Textsignale jedoch erlauben eine
weitere Aufgliederung.
Hosea 4–14 zeigt nur in Hos 11,11 eine formale Zäsur (hwhy-~an /
“Spruch JHWHs”), die von der masoretischen Tradition durch eine
Petucha oder Setuma betont wird. F. Crüsemann hat gezeigt, dass
sich die Rede von Hosea 4–11 durch den Gebrauch eines die gegen-
wärtige Situation betonenden ht[ / “jetzt” aus dem Gesamttext her-
aushebt 21. Da Hosea 4–11 wie Hosea 12–14 mit Hoffnungsworten
schließen, drängt sich als nächstes die Frage auf, wie Gerichtspro-
phetie und Hoffnungsworte in einem gemeinsamen Text Hoffnung
für Israel artikulieren. ht[ wird aber allein in der Gerichtsprophetie
von Hosea 4–10 verwendet und grenzt sie von dem hoffnungsvollen
Schluß in Hosea 11 ab. Weitere Merkmale unterstützen diese Unter-
teilung. In Hosea 4–10 werden zwei unterscheidbare Zielgruppen an-
gesprochen. Schon gleich zu Anfang wird in Hos 4,5-6 eine
priesterliche Führungsperson mit “du” direkt angesprochen und in
Hos 4,13-14 eine kultisch aktive Gruppe mit “ihr”. Diese zweifache
Anrede wiederholt sich und kulminiert in der gemeinsamen Anrede
beider Adressaten (Hos 10,12-15) 22. Eine letzte Mahnung und noch-
20
Vgl. W. SCHÜTTE, „Die Textgliederung der Hoseaschrift von Qumran
bis zur Zürcher Bibel“ (erscheint in Pericope).
21
F. CRÜSEMANN, “ht[ - jetzt. Hosea 4–11 als Anfang der Schriftprophetie”,
Kanon und Sozialgeschichte (Gütersloh 2003) 131-145, schließt weiter aus dem
in Hos 4,16; 5,3.7; 7,2; 8,8.10.13; 10,2.3 verwendeten ht[, dass dieser
Textblock aktuelle Prophetenworte in schriftlich verfasster Form wiedergebe.
22
Direkte Anreden eines anonymen “du” in Hos 4,4-6.17; 8,1.5; 10,13-
14; direkte Anreden einer anonymen Gruppe “ihr” in Hos 4,13-14; 5,13; 9,5;
10,12-13.15, vgl. SCHÜTTE, Gerechtigkeit, 79-89.101-118.