Wolfgang Schütte, «Die Entstehung der juda-exilischen Hoseaschrift», Vol. 95 (2014) 198-223
The book of Hosea was composed a short time after the Assyrian conquest of Israel and by a group of Israelites that had fled to Judah. The kernel of the book comes from a series of critical statements about cultic personnel and Israel's society. The book integrated later reflections on national guilt and tried to infuse religious hope to the Israelite refugees in Judah.
03_Schutte_198-223 15/07/14 12:17 Pagina 216
216 WOLFGANG SCHÜTTE
Gotteserkenntnis und einem persönlichen Schuldeingeständnis ein
(Hos 14,2-3 bwv). Sie begründet diese Einladung mit einer “Selbstre-
flexion Gottes”, die seine bedingungslos vorlaufende Gnade entfaltet.
Hos 14,5-7 beschreibt eine Selbstoffenbarung Gottes, die sich nicht
im Dialog mit der Gruppe, sondern scheinbar noch in der Zurück-
gezogenheit Gottes vollzieht. Sie will erahnt werden. Entsprechend
der Sprechaktgestaltung des Textes können die Adressaten von Hos
14,2-10 Gottes Entscheidung wie durch eine unsichtbare Wand er-
lauschen 56. Der Autor des Schlußkapitels nimmt Gottes Gedanken
auf. Er, ein Tradent der ältesten Gerichtsrede (Hos 14,9; vgl. 4,17),
antwortet in Hos 14,8-10 autoritativ auf diese neue Offenbarung des
unergründlich gnädigen Gottes nach der tiefsten Entfremdung von
Gott und seinem Volk mit seiner neu gewonnenen Gottes- und
Selbsterkenntnis. Damit wirbt der Schluss um die Zustimmung der
Menschen, die anfangs zur Umkehr aufgerufen wurden.
Wenn auch Hos 14,2-10 bestimmte Adressaten umwirbt, zur Er-
kenntnis und Verehrung des wahren Gottes zu kommen, so bleibt
Israel insgesamt in der Wahrnehmung Gottes resistent gegen jede
neue Erkenntnis. Noch immer bestimmt “Abtrünnigkeit” (Hos 14,5
hbwvm vgl. 11,7) das Verhalten des Volkes. Die Geisteshaltung der
Israeliten hat sich trotz des Verlustes der Heimat und ihres Exils in
Juda nicht geändert. Die judäischen Verhältnisse scheinen sich —
nach Ausweis der “juda-exilischen Redaktion” — auch nicht ent-
scheidend von den heimatlichen religiösen Gebräuchen Israels un-
terschieden zu haben 57. Zeigt sich Gott dessen ungeachtet bereit,
von seinem Zorn zu lassen (Hos 14,5 bwv vgl. Hos 11,9), so wirbt
Hos 4,4 – 14,10 als Gesamttext darum, dass sich seine Zielgruppe
durch die Erkenntnis des heilsamen Gottes als Speerspitze der re-
ligiösen Neubesinnung gewinnen läßt.
VII. Die pädagogische Vermittlung I
Gottes- und Selbsterkenntnis in Hosea 1–2 wird in einem bio-
graphisch gestalteten Rahmen entfaltet. Sein Anhalt am histori-
schen Hosea lässt sich nicht mehr überprüfen. Die vorliegende
Textgestalt zeigt ein Textwachstum in Hosea 1. Die ursprüngliche
56
SCHÜTTE, Gerechtigkeit, 135-140.
57
S.a. Am 2,4-5; dazu SCHÜTTE, “Völkersprüche”, 544-545.