Till Magnus Steiner, «'Gott stieg hinauf ...' (Ps 47,6) — wohin? Psalm 47 als exilische Hoffnung auf Restitution
», Vol. 95 (2014) 161-178
Ps 47,6 states that God has 'gone up' but does not clarify where He is ascending to. In recent research this verse is therefore interpreted in many different ways. To be sure, the ambiguity of this verse definitely affects the interpretation of the Psalm as a whole. In this article we argue that V. 6 - when read in the context of Psalm 47 and of Psalms 46-48 - may express the strong belief that God returns back to Jerusalem / Zion after the exile.
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2. Gottes Handeln (VV. 4-5)
Um die Bedeutung der Zeitform in VV. 4-5 sachgerecht beurteilen
zu können, ist es wichtig, in einem ersten Schritt deren Abfolge
wahrzunehmen: Die Imperfektformen in VV. 4-5a folgen auf einen
Nominalsatz (V. 3), der den Ist-Zustand ausdrückt. Den Imperfektformen
in VV. 4-5a schließt sich ein Verbalsatz mit Perfektform an, der eine
abgeschlossene Handlung beschreibt (V. 5b).
Aus der Leserichtung von V. 3 kommend, kann die Unterwerfung
von Völkern und Nationen in V. 4 durch die Imperfektform als
Zukunftshoffnung gelesen werden (vgl. die Formulierung “unter
uns” / “unter unsere Füße” in Pss 18,39.48; 45,6; vgl. auch Mi 2,13-
14; 4,6-7; Obd 19-21). LXX setzt sowohl in V. 4 als auch in V. 5
einen präteritalen Sinn voraus. Allerdings muss beachtet werden,
dass LXX in V. 5 einen abweichenden Text bietet: In LXX wird das
Erbteil durch das Personalpronomen nicht wie im MT auf die Wir-
Gruppe bezogen, sondern es bezieht sich direkt auf Gott: Das
Erbteil ist Gottes Erbteil. Gemäß LXX erwählt Gott seinen Erbteil
für die Wir-Gruppe, während gemäß MT Gott den Erbteil der Wir-
Gruppe für die Wir-Gruppe erwählt 28.
Dass das Zuteilen nicht ein einmaliger in der Vergangenheit
liegender Akt sein muss, zeigt Sach 1,17. Dieser Vers ist Ausdruck
der Hoffnung auf die erneute Erwählung Jerusalems nach dem Exil.
Ezechiel entwirft für die nach-exilische Zeit eine Neuverteilung des
Landes als Erbbesitz (Ez 47,13; vgl. auch Ez 45,1-7; 47,12-48,29)
und Ps 69,36-37 thematisiert die Rückkehr aus dem Exil, den
Aufbau Zions und der Städte Jerusalems und das Vererben Zions
28 J.S. Burnett argumentiert, dass in Anlehnung an Dtn 32,8-9 und Ps 82
die Lesart, die in LXX und auch in S vorliegt, vorzuziehen sei; vgl. J.S. BUR-
NETT, “The Pride of Jacob”, David and Zion (eds. B.F. BATTO – K.L. ROBERTS)
(Winona Lake, IN 2004) 319-350. In Dtn 32,8-9 wird das Volk Israel, genannt
Jakob, als Erbteil Gottes bezeichnet, nicht das Land oder Jerusalem (vgl. auch
Ps 82,8). Die Bezeichnung des Erbteils in Ps 47,5 als Stolz Jakobs verbietet
jedoch eine Gleichsetzung von Erbteil und Volk. Die einzige weitere Verwendung
der Formel hlxn + rxb findet sich in Ps 33,12. Hier ist hlxn ebenso wie in
Dtn 32,9 und Ps 82,8 auf das Volk bezogen. Im Unterschied zu Ps 47,5 wird
in Ps 33,12 jedoch das Volk zum (Präposition l) Erbteil auserwählt, während
in Ps 47,5 umgekehrt der Erbteil für (Präposition l) die Wir-Gruppe auserwählt
wird. Für mich ist kein Grund ersichtlich, warum man den Text von MT
emendieren sollte.