Gudrun Holtz, «Zur christologischen Relevanz des Furchtmotivs im Lukasevangelium», Vol. 90 (2009) 484-505
The theme of fear is to be found in the gospel of Luke not only in connection with the central revelations of glory — in the account of the birth and transfiguration as well as in the chapter on the resurrection — but also in several miracle stories. In the light of Luke 9,43 Jesus’ mighty deeds, which give rise to fear in those present, appear as the visible aspect of his heavenly glory. This understanding of revelation echoes the revelation theology of the Book of Exodus which interprets the signs and wonders which Israel experiences in the context of the departure from Egypt as the soteriological aspect of God’s glory revealed on Sinai. Jesus as the Holy One of God, who, like the God of Exodus, arouses revelation fear, is to be understood against this background.
498 Gudrun Holtz
1. Furcht als Reaktion auf die Herrlichkeitsoffenbarungen Gottes im
Buch Exodus
Bezogen auf die Verklärungsgeschichte besteht ein weitgehender
Konsens darüber, dass Lk motivisch auf die Sinai-Erzählung Bezug
nimmt; die folgenden Überlegungen knüpfen insoweit an bereits
Bekanntes an. Besondere Bedeutung kommt hier dem Abschnitt Ex
24,15-18 zu. Mit diesem Text ist Lk 9 v.a. über die Vorstellung der auf
dem Berg erscheinenden Wolke Gottes sowie über das Motiv der Doxa
verbunden, indirekt auch über das Motiv der Furcht (36). dovxa ist das
griechische Äquivalent zu dwbk, dessen alttestamentliche Bedeutungs-
aspekte auf dovxa übergegangen sind (37). Ex 24 hat im weiteren Kontext
des Buches u.a. die Funktion, die bis Kapitel 20 dominierende
Vorstellung der Offenbarung Gottes im Feuer mit dem in der Wolke
erscheinenden dwbk Gottes zu identifizieren (38). Es heißt dazu in 24,17:
“Und die Erscheinung des dwbk JHWH’s war wie verzehrendes Feuer auf
dem Gipfel des Berges vor den Augen der Israelitenâ€. Bei den
vorausgehenden Offenbarungen Gottes im Feuer, der Dornbuschoffen-
barung Ex 3 sowie der Sinaioffenbarung Ex 19-20, ist die Gottesoffen-
barung jeweils direkt mit dem Furchtmotiv verbunden.
In der die Furcht intensivierenden Version der Septuaginta heißt es
in Ex 3,6: “Mose aber wandte sein Gesicht ab, denn er fürchtete sich,
vor Gott hinabzuschauen†(39). Der Grund seiner Furcht ist die
Erscheinung des Engels Gottes in einer Feuerflamme verbunden mit
dem Ergehen des göttlichen Wortes. Der sich im Dornbusch als Gott
der Väter offenbarende Gott qualifiziert den Ort des Geschehens als
heiliges Land und gibt sich damit selbst als heilig kund. Die lodernde
(36) B. JANOWSKI, Sühne als Heilsgeschehen. Traditions- und religions-
geschichtliche Studien zur Sühnetheologie der Priesterschrift (WMANT 55;
Neukirchen-Vluyn 22000) 312, spricht für Ex 24,17 von der “geschützte(n)
Distanzâ€, von der aus die Israeliten der “feuerähnlichen maiestas Dei ansichtig
werdenâ€. In Ex 20,18 wird dies “Stehen aus der Ferne†(qwjrm wdm[yw / e[sthsan
makrovqen) ausdrücklich als Folge der Furcht der Israeliten beschrieben; s. auch
Ex 20,21.
(37) Vgl. H. HEGERMANN, “dovxa, h", hJ doxa Ansehen, Ehre, Machtglanz,
Herrlichkeitâ€, EWNT (21992) I, 834.
(38) Vgl. u.a. C. WESTERMANN, “dbk kbd schwer seinâ€, THAT I, 809, und F.
STOLZ, “ça ’eÏ€ Feuerâ€, THAT I, 245.
(39) eujlabei'to ga;r katemblevyai ejnwvpion tou' qeou'. Bei katemblevpw handelt
es sich um einen Neologismus, der “to look down (before God)†bedeutet. Vgl. J.
LUST – E. EYNIKEL – K. HAUSPIE, A Greek-English Lexicon of the Septuagint
(Stuttgart 1992-1996) II, 248. Das Wort stelle eine “theological interpretation
avoiding Hebr μybh ‘to look in the face of’†dar.