Gudrun Holtz, «Zur christologischen Relevanz des Furchtmotivs im Lukasevangelium», Vol. 90 (2009) 484-505
The theme of fear is to be found in the gospel of Luke not only in connection with the central revelations of glory — in the account of the birth and transfiguration as well as in the chapter on the resurrection — but also in several miracle stories. In the light of Luke 9,43 Jesus’ mighty deeds, which give rise to fear in those present, appear as the visible aspect of his heavenly glory. This understanding of revelation echoes the revelation theology of the Book of Exodus which interprets the signs and wonders which Israel experiences in the context of the departure from Egypt as the soteriological aspect of God’s glory revealed on Sinai. Jesus as the Holy One of God, who, like the God of Exodus, arouses revelation fear, is to be understood against this background.
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auf dem Berg an ihm sichtbar wird (v. 29). Sie ist die äußere
Manifestation seiner einzigartigen Gottesbeziehung, die ihm von
Anfang an, d.h. vom Augenblick seiner Zeugung in der Kraft des
Heiligen Geistes, wesenhaft eignet. Es ist die ihm als dem Sohn des
Vaters eigene Herrlichkeit, die in der Verklärung augenblickshaft
aufleuchtet und in die er dann mit der Auferstehung dauerhaft eingeht
(24,26). Mose und Elija erscheinen demgegenüber in der Doxa der
himmlischen Entourage Gottes (9).
Die Furcht der Jünger entzündet sich in Lk 9 an der Offenbarung
der göttlichen Gegenwart in der Wolke (10). Sie beginnen sich zu
fürchten, als sie in die Wolke hineingeraten, wo sie der Macht und der
Herrlichkeit Gottes unmittelbar begegnen. Ihre Furcht wird bis zum
Ende der Erzählung nicht aufgelöst, sie verwandelt sich vielmehr in
Schweigen (11), das sich bis zur zweiten Leidensankündigung (vv. 43-
45) durchzieht (12). Ein Teilaspekt des Schweigens der Furcht ist das
Unverständnis. Was Petrus mit Blick auf die Doxa-Erscheinung Jesu
meint verstanden zu haben, nämlich die Gleichstellung von Jesus mit
Mose und Elija, erweist sich als Unverständnis. Als das verstanden
Geglaubte durch die Gottesoffenbarung widerlegt wird, schweigen er
und die beiden anderen Jünger: “und sie schwiegen und berichteten
niemandem in jenen Tagen, was sie gesehen hatten†(v. 36). Dieses
Schweigen ist demnach Ausdruck der umfassenden Erschütterung
ihres bisherigen Verständnisses Jesu. Nach dem Gesagten gilt das
Schweigen der Furcht und des Nichtverstehens in Lk 9 damit der
Offenbarung sowohl der spezifischen Gestalt der Doxa Jesu als auch
seiner Niedrigkeit, wie sie durch den Hinweis auf den e[xodo" Jesu zum
Ausdruck gebracht wird (13).
(9) Vgl. dazu im Einzelnen GREEN, Gospel, 380, und BOVON, Evangelium,
495.
(10) Vgl. BOVON, Evangelium, 500. Dieser Zusammenhang wird von H. BALZ,
“fobew ktl. D. Die Wortgruppe im Neuen Testamentâ€, TWNT IX, 205, verkannt,
v
der hier eine Beschränkung bzw. Psychologisierung der Furcht wahrnimmt.
(11) Dass bei Lk Furcht Schweigen aus sich heraussetzt, zeigt neben Lk 9,45
insbesondere auch Lk 24,37-51 (dazu s.u.). Vgl. ferner Lk 20,26 mit 20,19.
(12) Vgl. auch BOVON, Evangelium, 514, der für Lk 9,45 von der “schweig-
same(n) Furcht†der Jünger spricht.
(13) Die Spannung von Niedrigkeit und Hoheit Jesu zeigt sich in Lk 9 außerdem
in der Verbindung der Dämonenheilung Lk 9,37-43a und der Leidensankündigung
Lk 9,43b-45. Hier steht der das Entsetzen (ejxeplhvssonto; v. 43a) angesichts der
Dämonenheilung aufnehmenden Verwunderung (qaumazovntwn) der Menge die
Furcht der Jünger (ejfobou'nto) angesichts der Leidensankündigung Jesu gegenüber
(v. 45). Dazu s. auch BOVON, Evangelium, 520.