Jan-Dirk Döhling, «Gott und die Gier. Altorientalisch-alttestamentliche Erkundungen eines aktuellen Begriffs.», Vol. 94 (2013) 161-185
The greed motif is found in biblical and in ANE texts. The Baal Cycle characterizes Mot, the god of death and drought, as a destroyer of life. With in Ugarit’s polytheistic system, Mot is nonetheless essential for agricultural growth. Mot’s greed is, thus, a terrible, yet inevitable, factor. The analysis of (lb (to devour, swallow) in the Hebrew Bible reveals a significant alteration. In the Old Testament, “greed” is a negative human attitude in socio-economic conflicts. In opposing greed the God of Israel addresses those who practice it and those who suffer from it as human beings.
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GOTT UND DIE GIER
Dass Baal verschlungen und Mot nach Baals Rückkehr nicht
vernichtet wird, wurde als mythologische Theodizee beschrieben.
Sie rechtfertigt das lebensfeindliche der Welterfahrung darin, dass
“[d]ie aus menschlicher Sicht bedrohlichen und lebensfreundlichen
Mächte [...] miteinander und nebeneinander bestehen müssen†23.
Personalisierte Gier und Tod sind als lebensfeindlich und naturnotwen-
dig doppelt codiert. Das an sich Gierig-Unersättliche hat eine lebens-
dienliche Funktion und bleibt trotz dieser Funktion lebensfeindlich.
Dieses Konzept bietet nach M. Smith, seinen Anhängern “an in-
tegrated version of realityâ€, da es die Chaosmächte Tod (und Meer)
zu Faktoren eines göttlichen Familienstreits herabspielt 24. Es kann,
da es die ökonomisch grundierten Prinzipien von Leben und Sterben
in den polytheistisch ausbalancierten Antagonismus zweier Götter
und ihrer Machtsphären fasst 25, als im Ansatz fatalistisch bzw. im
Konnex mit der ugaritischen Königsideologie als systemstabilisie-
rend bezeichnet werden.
Das zugrundeliegende Realtitätsverständnis des Mythos spiegelt
aber zugleich ein Wissen darum, dass das, was als natürliche Kraft
in Leben und (agrarischer) Wirtschaft‚ “Wachstum†schafft, als sich
in extenso ausdehnende “Naturâ€-Gewalt tödlich ist. Diese Einsicht
ist entsprechend dem Strukturprinzip des Mythos personalisiert, sie
hat aber auch inhaltlich Gewicht: Baal und Mot sind weder arbeits-
teilig disponierende Kollegen noch neutrale Naturkräfte, sondern
Todfeinde 26. Die akkumulative Lebenskraft, die gegenwärtige öko-
nomische und soziobiologische Theorien zum autopoetisch-moni-
stischen Konkurrenz-Prinzip ontologisieren 27, ist im Mythos eine
turhistorische Betrachtungenâ€, Schnittpunkt Ugarit (eds. M. KROPP – A.WAG-
NER) (Frankfurt a. M. 1999) 285-302.
GULDE, Tod, 93, n. 84.
23
SMITH – PITARD, Cycle II, 53-55.
24
Cf. KTU 1.6 VI 23-32 und KTU 1.2 III, 15-18, hierzu GULDE, Tod, 81-
25
82.93-94; A. DA SILVA, “A Comparison of the Three-Leveled-World of the Old
Testament Temple Building Narrative and the Three-Leveled-World of the
House-Building Motif in Ugaritic Texts KTU 1.3 and 1.4â€, Ugarit (eds. G.J.
BROOKE – A. CURTIS) 11-23, 17.
Zu dieser Besonderheit des Baalsmythos, cf. GULDE, Tod, 82, n. 44
26
sowie T. METTINGER, The Riddle of Resurrection. ʻDying and Rising Gods’
in the Ancient Near East (CBOT 50; Stockholm 2011) 270-271.
Cf. R. DAWKINS, The Selfish Gene (Oxford 21989) X. Zur Kritik des
27
Homo-Oeconomicus-Theorems DUMOUCHEL, “Indifference and Envy. An An-
thropological Analysis of Modern Economyâ€, Contagion 10 (2003) 149-160,
151; MIGGELBRINK, Lebensfülle, 22-67.
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