Jan-Dirk Döhling, «Gott und die Gier. Altorientalisch-alttestamentliche Erkundungen eines aktuellen Begriffs.», Vol. 94 (2013) 161-185
The greed motif is found in biblical and in ANE texts. The Baal Cycle characterizes Mot, the god of death and drought, as a destroyer of life. With in Ugarit’s polytheistic system, Mot is nonetheless essential for agricultural growth. Mot’s greed is, thus, a terrible, yet inevitable, factor. The analysis of (lb (to devour, swallow) in the Hebrew Bible reveals a significant alteration. In the Old Testament, “greed” is a negative human attitude in socio-economic conflicts. In opposing greed the God of Israel addresses those who practice it and those who suffer from it as human beings.
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im Verschlingen der Menschen Mots personale Attribute. Der
Mund der Scheol ist als Spalt oder Riss des Erdbodens gedacht (Spr
1,12; Num 16,30-34; Ps 106,17; Dtn 11,6; Num 26,10-11; Jes 5,14).
Diese “Verschiebung†von “der Figur des Todes zum chthonischen
Bereich der Unterwelt†39, dem eine Abspaltung der Todesfigur vom
Raum entspreche, sieht Gulde in ihrem Exkurs zu Spr 1,12; 30,15;
Pss 106,17; 124,3-4; 73,8-9; Numeri 16; Dtn 11,6 und Jes 5,14; 9,19
als Hauptdifferenz des alttestamentlichen zum ugaritischen Befund.
Sie erwägt als Grund einen schöpfungstheologischen Akzent oder eine
traditionsgeschichtliche Sonderform im südwestsemitischen Raum
mit höherer Eigenständigkeit der Scheol gegenüber dem Tod 40.
Doch beachtet Gulde, die besonders figurale Todes-Konzepte un-
tersucht, m. E. zu wenig, dass Entpersonalisierung nur eine Seite der
Transformation darstellt. Zwar notiert sie, das Motiv erhalte in der
Übertragung auf Menschen im AT eine moralische Färbung 41, doch
hat dies kein eigenes analytisches Gewicht, sondern erscheint als eine
strukturelle Folge religionsgeschichtlicher Verschiebungen ohne kon-
krete Anlässe. So ist beispielsweise Guldes These, im Gier- und Ver-
schlingungsmotiv von Jes 9,19 tauche “weder der Aspekt der Strafe
auf†noch würden “Menschengruppen aufgrund ihrer unmoralischen
Kennzeichen verglichen†42 nur haltbar, wenn die enge semantisch-
motivische Verknüpfung von V. 19b zur Gerichtsansage an Israels
Führer (cf. VV. 15.17 [lb / lka) unbeachtet bleibt.
Bleiben bei Gulde der sozial-relationale Aspekt und die ökono-
mische Motivspitze in der Ãœbertragung der Gier auf den Menschen
unterbestimmt, indem sie einseitig als allgemeine Strukturkonse-
quenz religionsgeschichtlicher Transformation gelten, so ändert
sich dies, wenn man die Motivkontexte fokussiert. Ãœber isolierte
Einzelverse hinaus tritt eine spezifisch sozialethische Transponie-
rung hervor: Was einst Mot tat, adressiert in Tora, Psalter, Weisheit
und Prophetie teils unter Bezug auf das schlingende Totenreich
(Hab 2,5; Jes 5,14; 9,19; Ps 73,9; Spr 1,12; 30,14-15) konkrete
Menschen(gruppen) mit konkretem sozio-ökonomischen Profil.
GULDE, Tod, 143 [erste Hervorhebung im Original, zweite JDD].
39
GULDE, Tod, 135-144, bes.143.
40
GULDE, Tod, 156. Schon J. SCHÃœPPHAUS, [lb, 661, betont [lb stehe im
41
AT, wo “ein [...] Gerechte[r]†bedroht sei, auch drücke die Wurzel “[das]
strafende [...] Einschreiten [...]†Gottes aus.
GULDE, Tod, 141.
42
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