Jan-Dirk Döhling, «Gott und die Gier. Altorientalisch-alttestamentliche Erkundungen eines aktuellen Begriffs.», Vol. 94 (2013) 161-185
The greed motif is found in biblical and in ANE texts. The Baal Cycle characterizes Mot, the god of death and drought, as a destroyer of life. With in Ugarit’s polytheistic system, Mot is nonetheless essential for agricultural growth. Mot’s greed is, thus, a terrible, yet inevitable, factor. The analysis of (lb (to devour, swallow) in the Hebrew Bible reveals a significant alteration. In the Old Testament, “greed” is a negative human attitude in socio-economic conflicts. In opposing greed the God of Israel addresses those who practice it and those who suffer from it as human beings.
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GOTT UND DIE GIER
Gierhaltung und Gierorgan betont lautlich das aramäische Hapax-
legomenon l[ (Wange bzw. Kehle). Setzt das Messer am Gierorgan
an, wird implizit eine Inversion des Giermotivs deutlich.
Sir 31,12-31 zeigt in den Anfangsversen des ersten, dem Verhalten
beim Symposion gewidmeten Abschnitt (VV. 12-18[-21]), Anklänge
an die Höflichkeitsregel aus Sprüche 23, doch fehlt hier die implizite
Drastik die sich im die Gier begrenzenden Messer-Bild äußert. Statt-
dessen bemüht der Text, hier nahe am Gier-Motiv der Hebräischen
Bibel das Negativbild des geöffneten Rachens. Er korreliert es mit
der voreiligen Hand (VV. 14.18) und, womöglich von Spr 23,5.6 mo-
tiviert, dem Auge als Movens der Gier (V. 13), das in den bisher be-
sprochenen Gier-Texten kaum belegt ist, hier aber explizit als böses
(kakon h[r) Schöpfungswerk Gottes bezeichnet wird 67. Der Abschnitt
,
lässt keine generelle Kritik am Reichtum und hohen Sozialstatus der
Symposions-Teilnehmer erkennen 68. Er bejaht den profanen Charak-
ter dieser Feste und will zur ehrenvoll-anständigen Teilnahme anlei-
ten, indem er die soziale Ächtung gierigen Essens in der Oberschicht
thematisiert (VV. 16-17). Bemerkenswert ist aber, dass die allgemeine
Anstandsregel beim Griff in die gemeinsame Essensschüssel in V. 15
durch den Rekurs auf das Nächstenliebe-Gebot (Lev 19,18) 69, und
die goldene Regel begründet wird, sodass auch hier Essen als “Testfall
des rechten zwischenmenschlichen Verhaltens†70 erscheint.
Im (erweiterten) Zahlenspruch in Spr 30,15a+15b-16 ist der Blut-
egel 71 Träger der Gierzuschreibung 72. Das dem Giermotiv entstam-
mende Nicht-Satt-Werden, das auch die Fressergottheiten in KTU
1.23,61-63 prägte, ist inhaltlich im doppelten “Gib†vorbereitet (V.
15ba); es kehrt thematisch und numerisch wieder im VV. 15-16 ver-
klammernden zweifachen ‘Nie Genug’ (V. 15bb). Strukturell tritt es
Cf. F.V. REITERER, “Die immateriellen Ebenen der Schöpfung bei Ben
67
Siraâ€, in ders., “Alle Weisheit stammt vom Herrnâ€. Gesammelte Studien zu
Ben Sira (BZAW 375; Berlin 2007) 185-227, 202-203.
Cf. J. MARBÖCK, Weisheit im Wandel. Untersuchungen zur Weisheits-
68
theologie bei Ben Sira (BZAW 272; Berlin 1999) 162, 164.
Cf. G. SAUER, Jesus Sirach /Ben Sira (ATD.A 1; Göttingen 2000) 224.
69
B. ZAPFF, Jesus Sirach (NEB; Stuttgart 2009) 199.
70
Das Hapax hqlw[ bleibt strittig; cf. M. SÆBØ, Sprüche, 367, n. 47;
71
HALAT, 786b.
Womöglich war V. 15a zunächst ein eigener Zahlenspruch, der wegen
72
der thematischen und numerischen Kohärenz VV. 15b-16 an sich zog (SÆBØ,
Sprüche, 372-373).
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