Hannes Bezzel, «Der Prophet als Bleilot. Exegese und Theologie in Amos 7.», Vol. 95 (2014) 524-545
The prophetic narrative Am 7,10-17 is understood as a text written for its present context, viz. the visions of Amos. Its intention is to explain the enigmatic Kn) in the third vision. Having been the subject of interpretation already in Am 7,9 and 9,1aa.4b, this time the Kn) is identified with the person of the prophet himself. Amos, the Kn), personifies the divine word. Therefore the text proves to be a Midrash which illustrates that innerbiblical exegesis and theology are closely related to each other in this particular case.
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weiß im dritten Band seiner “Einleitung in das Alte Testament” von
1783 freilich noch ein wenig mehr zu berichten. So stelle der Prophet
sich selbst zwar dar “als einen Mann von geringen Glücksumstän-
den” 5, gleichwohl habe man es mit keinem Ungebildeten zu tun. Der
bürgerliche Leser kann beruhigt sein: “Ein dürftiger Hirte war also
Amos; aber deswegen doch kein Mann vom Auswurf des Volks” 6.
Vier Dinge also, so Ben Ze’eb, lassen sich über den historischen
Amos sagen: Dass er Amos hieß, dass er Viehbesitzer war, aus
Tekoa stammte, einem Weideort ca. drei Meilen von Jerusalem, und
dass er in den Tagen Usijas und Jerobeams aufgetreten sei 7.
Dieses Bild vom “historischen Amos” speist sich bei Eichhorn,
bei Ben Ze’eb und bei den vielen, die ihnen seit den Tagen der Auf-
klärung in den vergangenen zweihundert Jahren gefolgt sind, aus
zwei Quellen. Zum einen ist es die Buchüberschrift in Am 1,1, zum
anderen die einzige Prophetenerzählung, die sich in dem Büchlein
findet: Am 7,10-17. Daran hat sich bis heute wenig geändert, wenn
auch der Quellenwert beider Passagen in stärkerem Maße Gegen-
stand der Diskussion ist als vor zweihundert Jahren.
Hinsichtlich der Überschrift besteht ein weitgehender Konsens.
“Worte des Amos, der unter den Schafzüchtern von Tekoa war, die
er schaute über Israel in den Tagen Usijas, des Königs von Juda
und Jerobeam ben Joaschs, des Königs von Israel, zwei Jahre vor
dem Erdbeben”, wirkt im Hebräischen ebenso überladen wie im
Deutschen und ist syntaktisch vielleicht noch unsauberer. Es irritiert
etwa der doppelte Relativsatz, der die Worte vom Schauen trennt:
Grammatikalisch “schaut” Amos jetzt die Schafhirten, die somit
verdächtig nach einer späteren Ergänzung aussehen. Zudem werden
aber auch Worte, noch dazu eigene, in der Regel nicht “geschaut”
(vgl. noch Jes 2,1; Mi 1,1) — wohl aber Visionen, wie sie sich im
zweiten bzw. dritten Buchteil 8 finden und von denen noch die Rede
5
J.G. EICHHORN, Einleitung in das Alte Testament. Dritter und letzter Theil
(Leipzig 1783) 293.
6
EICHHORN, Einleitung III, 293.
7
Vgl. BEN ZE’EB, awbm, 48r.
8
Vgl. zur Gliederung des Buches grundlegend J. JEREMIAS, “Völker-
sprüche und Visionsberichte im Amosbuch” [1989], Hosea und Amos. Stu-
dien zu den Anfängen des Dodekapropheton (ed. J. JEREMIAS) (FAT 13;
Tübingen 1996) 157-171, rezipiert in den gängigen Einleitungen, so z.B. E.
ZENGER, “Das Zwölfprophetenbuch”, Einleitung in das Alte Testament (ed.
CHR. FREVEL) (Stuttgart 82012) 622-699, 642.