Hannes Bezzel, «Der Prophet als Bleilot. Exegese und Theologie in Amos 7.», Vol. 95 (2014) 524-545
The prophetic narrative Am 7,10-17 is understood as a text written for its present context, viz. the visions of Amos. Its intention is to explain the enigmatic Kn) in the third vision. Having been the subject of interpretation already in Am 7,9 and 9,1aa.4b, this time the Kn) is identified with the person of the prophet himself. Amos, the Kn), personifies the divine word. Therefore the text proves to be a Midrash which illustrates that innerbiblical exegesis and theology are closely related to each other in this particular case.
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das kann man im Hebräischen so ausdrücken 41 — mit einem
ebensolchen Werkzeug in der Hand, das er, so die Deutung, auch
an Israel anzulegen gedenke. Nach wie vor ist das insofern keine
schlechte Übersetzung, als sie zumindest einen nachvollziehbaren
Sinn ergibt. Das ist bei einigen der zahlreichen Verbesserungsvor-
schläge nicht unbedingt der Fall 42: Seit den keilschriftlichen
Entdeckungen Mitte des 19. Jahrhunderts wird $na meist als
Lehnwort 43 des akkadischen AN.NA | annaku aufgefasst. Das über-
zeugt sofort, hat allerdings den Haken, dass man auch von AN.NA |
annaku nur weiß, dass es sich um irgendein Nichteisenmetall,
wahrscheinlich um Zinn handelt 44. Noonan betont nun freilich
wieder, “[that] the term annaku could denote different metals” 45.
1. Die Interpretation von $na als “Zinn”
Was aber heißt es nun, Gott auf einer Mauer aus Zinn (oder
einem anderen Buntmetall) stehen zu sehen, Zinn (oder ein anderes
Buntmetall) in der Hand haltend? Die Interpretationen sind
vielfältig, die beliebteste ist jedoch, Zinn als wichtigen Rohstoff
für die Bronzeherstellung zu betrachten, die ihrerseits den wichtigsten
Grundstoff für die Waffenproduktion dargestellt habe. JHWH zeige
also mit seiner Zinnmauer, dass er über einen quasi unbegrenzten
Vorrat an waffenfähigem Material verfüge, das er gegen sein Volk
einzusetzen gedenke 46. Das wäre dann eine ziemlich raffinierte
41
Vgl. H. WILLIAMSON, “The Prophet and the Plumb-Line. A Redaction-
Critical Study of Amos vii”, In Quest of the Past. Studies on Israelite Reli-
gion, Literature and Prophetism (ed. A.S. VAN DER WOUDE) (OTS 26; Leiden
1990) 101-121, 112, mit Verweis auf das “mit glühenden Steinen geröstete
Brot” (~ypcr tg[) von 1 Kön 19,6.
42
Vgl. für die Diskussion der letzten 150 Jahre M. WEIGL, “Eine ‘un-
endliche Geschichte’ : $na (Am 7,7-8)”, Bib 76 (1995) 343-387; W. BEYERLIN,
Bleilot, Brecheisen oder was sonst? Revision einer Amos-Vision (OBO 81;
Fribourg – Göttingen 1988).
43
Gegen die These vom Lehnwort und für ein gemein vorderorientali-
sches Wort ähnlicher Bedeutung “in Semitic and non-Semitic” argumentiert
nun NOONAN, “There and Back Again”, 303.
44
Vgl. WEIGL, “unendliche Geschichte”, 343-357.
45
NOONAN, “There and Back Again”, 303.
46
Vgl. u. a. G. BRUNET, “La vision de l’étain: Réinterpretation d’Amos
VII 7-9”, VT 16 (1966) 387-395, 394-395.