Klemens Stock, «Die Inspiration der Heiligen Schrift nach dem Johannesevangelium», Vol. 96 (2015) 525-549
Taking as a point of reference the recent document of the Pontifical Biblical Commission, Inspiration and Truth of Sacred Scripture, this article examines how the Gospel of John gives evidence of its inspiration by having its origin from God. Every reference to God is made through the person of Jesus. Therefore, the relationship between Jesus and his disciples is of fundamental importance for understanding the origin of this Gospel. Whereas abstract statements about inspiration can sometimes lead the reader in a false direction, the testimony of the Gospel itself is able to foster a suitable way of reading and approaching the Sacred Scriptures.
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Sohnes zum Vater zu allen Zeiten die Offenbarung des Vaters durch
den Sohn gegenwärtig und lebendig und für den Glauben zugänglich
zu erhalten; er soll tatkräftiger “Führer in der ganzen Wahrheit”
sein (16,13). Diese Offenbarung ist nicht für sich selber da; es gehört
zu ihrem Wesen, dass sie aufgenommen werden will. Jesus wendet
sich an seine Jünger (und durch sie an die Welt, an alle Menschen
17,18), damit sie sein Wirken aufnehmen und an ihn glauben und
durch diesen Glauben das Leben haben. Im Hinblick auf die Inspiration
zeigt sich hier, dass sie alles andere ist als ein abstraktes generelles
Handeln Gottes an bestimmten Menschen, weder ein Diktieren oder
Garantieren von bestimmten Wahrheiten, noch ein Verhindern von
Irrtümern in einem generellen und abstrakten Sinn. Bei ihr gehören
das Handeln des dreifaltigen Gottes (das Mitteilen) und der Inhalt
seines Handelns (die Mitteilung) und die Aufnahme der Mitteilung
(im Glauben der Jünger und dann im Glauben der Adressaten ihrer
Verkündigung) und das Leben der Glaubenden (ihr Heil) auf das
Allerengste zusammen.
Was Jesus den Jüngern durch ihre Erwählung und im ständigen
und freundschaftlichen (15,14) Zusammensein mit ihnen schenkt,
ist die Offenbarung des Vaters durch den Sohn, die mit dem Wachsen
ihres Glaubens an ihn zu einer immer engeren persönlichen
Gemeinschaft mit Jesus und durch ihn mit dem Vater führt; und
diese Gemeinschaft bedeutet für sie die Fülle des Lebens (vgl.
17,3). Wir können es wieder mit dem Gleichnis vom Weinstock
ausdrücken: Jesus macht sie zu Reben an dem Weinstock, der er
selber ist (vgl. 15,1-17). Genau das bedeutet ihr eigenes Leben und
Heil und ist zugleich die Vorbereitung für ihre Sendung: Die Reben,
die am Weinstock sind und allein aus ihm leben, können dessen Le-
bensstrom weitergeben und Frucht bringen. Zwischen der Einfüh-
rung der Jünger in die Gemeinschaft mit Jesus, in immer größerer
Kenntnis und Verbundenheit, und der Vorbereitung für ihren künftigen
Dienst scheint kein Unterschied zu bestehen. Das Leben und das
Heil, das sie selber erhalten haben, sollen die Jünger weitergeben
(“damit auch ihr glaubt” [20,31] — so wie wir glauben). Darin besteht
ihre Sendung. Es ist aber nicht ihr unabhängiges ganz eigenes Wirken:
Sie sind Reben, aber auch nur Reben. Das Wirken des Vaters (zum
Glauben ziehen 6,44) und des Sohnes (der Weinstock) und des
Geistes der Wahrheit (sein vielfältiges nachösterliches Tun) gehen
weiter und sind absolut notwendig, damit auf die mündliche und
schriftliche Verkündigung und auf das Zeugnis der Jünger hin