Stephan Witetschek, «Sankt Paul in Ketten. Zur Paulus-Ikonographie in der Apostelgeschichte und im Corpus Paulinum.», Vol. 96 (2015) 245-272
Chains or bonds are a standard feature of representations of Paul in early Christianity. In the narrative of Acts 21–28 they appear to be an element of literary iconography employed by 'Luke the painter'. This iconography begins with Paul himself, who interpreted his bonds as worn 'in Christ' (Phil 1,13) and himself as 'prisoner of Christ Jesus' (Phlm 1.9). The Deutero-Pauline Epistles follow suit: In Colossians and Ephesians the bonds appear as the iconographical attribute, while in 2 Timothy they are perceived and tackled as a problem. In any event, Paul is remembered as the Apostle in fetters.
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oder Ephesos 35 vorgeschlagen. Für letztere Option spricht vor
allem, dass Paulus und seine Mitarbeiter (noch) ganz mit der Mis-
sion im ägäischen Raum befasst sind und etwa mit Philippi in regem
Austausch stehen. Wenn die Ephesos-Hypothese zutrifft, dann ist
die Haft, aus der Paulus den Philipper- und Philemonbrief schrieb,
in den Peristasenkatalogen 2 Kor 6,4-10; 11,23-29 in dem summa-
rischen evn fulakai/j (6,5; 11,23) inbegriffen.
In beiden Briefen bezeichnet Paulus seine Haftsituation jedoch
metonymisch mit dem Haftmittel desmoi,/-a,. Die Fesselung wird in
den Peristasenkatalogen des 2. Korintherbriefes nicht eigens erwähnt,
obwohl sie zu den mehrfachen Auspeitschungen (11,24-25) gut passen
würde. Dennoch ist davon auszugehen, dass Paulus in der Haft, in
der er den Philipper- und Philemonbrief schrieb, tatsächlich gefesselt
war; auch ein mögliches römisches Bürgerrecht steht dem nicht
prinzipiell entgegen: Angesichts der üblichen Massenunterbringung
der Gefangenen war die Fesselung aus Sicherheitsgründen schlichtweg
notwendig und darf als Regelfall gelten 36. Im Neuen Testament
wird in Apg 16,26 selbstverständlich vorausgesetzt, dass Gefangene
gefesselt waren; dies wird, anders als die Auspeitschung, auch nicht
als besonderer Übergriff gesehen (Apg 16,37).
1. Der Philipperbrief
Im Philipperbrief kann Paulus anscheinend voraussetzen, dass
die Adressaten schon länger über seine Haft informiert sind (Phil
Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830; Göttingen 82013) 159-163.174;
ex negativo M. GIELEN, “Paulus — Gefangener in Ephesus?”, BN 131 (2006)
79-103; BN 133 (2007) 63-77.
35
Cf. z.B. H. CONZELMANN – A. LINDEMANN, Arbeitsbuch zum Neuen
Testament (UTB 52; Tübingen 142004) 250-251; S. WITETSCHEK, Ephesische
Enthüllungen 1. Frühe Christen in einer antiken Großstadt. Zugleich ein Bei-
trag zur Frage nach den Kontexten der Johannesapokalypse (Biblical Tools
and Studies 6; Leuven 2008) 198-206; H. OMERZU, “Spurensuche: Apostel-
geschichte und Paulusbriefe als Zeugnise einer ephesischen Gefangenschaft
des Paulus”, Die Apostelgeschichte im Kontext antiker und frühchristlicher
Historiographie (eds. J. FREY – C.K. ROTHSCHILD – J. SCHRÖTER) (BZNW
162; Berlin – New York 2009) 295-326; D.A. KOCH, Geschichte des Urchri-
stentums. Ein Lehrbuch (Göttingen 2013) 570-572.
36
Cf. dazu T. MOMMSEN, Römisches Strafrecht (Systematisches Handbuch
der deutschen Rechtswissenschaft I/4; Leipzig 1899; Reprint Darmstadt
1955) 300-301; RAPSKE, Paul in Roman Custody, 25-26; J.-U. KRAUSE, Ge-