Stefan Schreiber, «Eine neue Jenseitshoffnung in Thessaloniki und ihre Probleme (1 Thess 4,13-18)», Vol. 88 (2007) 326-350
Paul’s portrayal of the parousia of Christ in 1 Thess 4,13-18 is induced by a concrete problem of the recently founded community in Thessalonica. So to understand the text means to reconstruct the situation out of which it has been written. A closer look at the argument of 4,13-18 reveals the fact that the event of the parousia is the centre of the problem. After a brief sketch of the recent scholarly discussion, the article gives an overview of ancient conceptions of the hereafter (or their lack, respectively) as the cultural background of the potential reception of the idea of the parousia in Thessalonica. Then the identity building force of this idea as part of the missionary preaching becomes discernible: a Christian identity constituted by a separate hope of life after death and a critical distance to the socio-political reality. In this light the deaths of some community members can be understood as an attack on the identity of the community, which
Paul’s eschatological rearrangement tries to strengthen again.
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anlehnt: “Jesus ist gestorben und auferstanden†(6). Das Christus-
Ereignis stellt die Grundlage für die christliche Jenseitshoffnung dar,
die sogleich als Ãœbertragung dieses Ereignisses auf die Glaubenden
angeschlossen wird. Dass dabei ein Bruch in der Syntax stattfindet —
der erste Satzteil ist mit eij als Bedingungssatz eingeführt, der zweite
fährt mit ou{tw" kaiv als folgernder Vergleichssatz fort —, lässt
erkennen, wie Paulus den Akzent auf einen bestimmten Gesichtspunkt
legt. Er verwendet nämlich ein denkbar einfaches Bild für den Eintritt
der Verstorbenen ins Jenseits: Gott wird diese “durch Jesus führen mit
ihm / dia; tou' ∆Ihsou' a[xei su;n aujtw/'â€. Interessant ist erstens, dass kein
Ziel dieses Führens genannt wird, und zweitens, dass die im ersten
Satzteil angesprochene Auferstehung nicht aufgegriffen wird. Die
personale Gemeinschaft mit dem erweckten, in endzeitlicher Macht
kommenden Jesus ist demnach selbst das Ziel der Jenseitshoffnung,
was durch die Endstellung des su;n aujtw'/ und die überladen wirkende
doppelte präpositionale Ergänzung des Verbs (durch Jesus/mit ihm)
unterstrichen wird. “Mit ihm sein†ist Vorstellungsinhalt des
Eschaton (7). Der Eintritt in diese unmittelbare, die jenseitige Existenz
bestimmende Gemeinschaft geschieht spezifisch durch das “Führen
mit Jesusâ€, was in V.15 terminologisch als “Parusie†des Herrn gefasst
ist. Es darf vermutet werden, dass die Thessaloniker diese Vorstellung
bereits als Bestandteil der Erstverkündigung kannten. Eine vorgängige
Erweckung von Toten kommt nicht zur Sprache, ist aber für Paulus (8)
impliziert, wie die Fortsetzung zeigt.
4,15 präzisiert das Gesagte auf die Gesprächssituation hin, und
zwar mittels eines “Wortes des Herrnâ€.
Sowohl die Bedeutung als auch der Umfang dieses “Wortes des
Herrn†sind für uns nicht unmittelbar erkennbar. Die Mehrheit der
Ausleger denkt an ein prophetisch vermitteltes Wort des erhöhten
Herrn und kann sich dazu auf die Charakterisierung prophetischer
(6) Mit ejgeivrw formulieren Röm 8,34; 14,9; 1 Kor 15,3-4; 2 Kor 5,15; auch
das Verb ajnivsthmi ist traditionell, vgl. Mk 8,31; 9,9.31; 10,34; Lk 24,46; Apg
2,24.32; 10,41; 13,33-34; 17,3.31.
(7) Der Gedanke ist bei Paulus häufiger belegt, vgl. Phil 1,23; 2 Kor 5,8; Röm
6,8; 8,32. Zu sprachlichen Analogien in griechischen Grabepigrammen vgl. I.
PERES, Griechische Grabinschriften und neutestamentliche Eschatologie (WUNT
157; Tübingen 2003) 244-246 (mit Heroen bzw. mit Göttern zusammen sein).
Frühjüdisch-apokalyptisch ist die Hoffnung auf Gemeinschaft mit dem
endzeitlichen Menschensohn möglich, so äthHen 45,4; 62,14; 71,16.
(8) Für die Thessaloniker war dieser Zusammenhang offenbar alles andere als
selbstverständlich.