Stefan Schreiber, «Eine neue Jenseitshoffnung in Thessaloniki und ihre Probleme (1 Thess 4,13-18)», Vol. 88 (2007) 326-350
Paul’s portrayal of the parousia of Christ in 1 Thess 4,13-18 is induced by a concrete problem of the recently founded community in Thessalonica. So to understand the text means to reconstruct the situation out of which it has been written. A closer look at the argument of 4,13-18 reveals the fact that the event of the parousia is the centre of the problem. After a brief sketch of the recent scholarly discussion, the article gives an overview of ancient conceptions of the hereafter (or their lack, respectively) as the cultural background of the potential reception of the idea of the parousia in Thessalonica. Then the identity building force of this idea as part of the missionary preaching becomes discernible: a Christian identity constituted by a separate hope of life after death and a critical distance to the socio-political reality. In this light the deaths of some community members can be understood as an attack on the identity of the community, which
Paul’s eschatological rearrangement tries to strengthen again.
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Unvollständigkeit der Überlieferung nicht viel heißen. Gegen diese
Identifizierung spricht aber die Beobachtung, dass V.15b ganz
situationsspezifisch im Hinblick auf das Briefanliegen formuliert ist. Zu
den grundlegenden Motiven von V.16-17 hingegen findet sich (mit
einigen Unterschieden (14) eine Parallele aus der Jesus-Tradition (Mt
24,30-31) (15) machtvolles Kommen des Menschensohns vom Himmel,
auf Wolken, Trompetenklang, Sammlung der Erwählten), was die
These erlaubt: Paulus denkt beim “Wort des Herrn†an die Tradition von
V.16-17 (16), die er in V.15b mit eigenen Worten hinsichtlich ihrer
Relevanz für die Briefsituation zusammenfasst und auslegt und dann
inhaltlich wiedergibt. Die bewusste Reflexion dieser Darstellungsweise
spiegelt sich in der sprachlichen Gestaltung von V.15a: Das eigene
Sprechen (levgomen) geschieht “in†(ejn mit instrumentalem Dativ) einem
Wort des Herrn — Paulus spricht in der Autorität eines Jesus-Wortes.
Die genaue Gestalt der Tradition hinter V.16-17 bleibt unbekannt.
Es lassen sich aber einige Elemente abheben, die sich offenbar der
aktuellen Briefsituation verdanken: Offensichtlich ist dies bei V.17fin
(“und so werden wir allzeit mit dem Herrn seinâ€) als paulinisches
Fazit, zu erwägen bei der Formulierung in der 1. Pers. in V.17 (anders
als V.16: 3. Pers.), bei der Trias “wir, die Lebenden, die
Übrigbleibenden†in V.17 als Wiederholung von V.15 und bei der die
Reihenfolge akzentuierenden Stufung “zuerst/dannâ€, und möglich
schließlich bei der Bestimmung der Toten “in Christus†in V.16 (17).
(14) Die Überlieferung hinter Mk 13,26-27/Mt 24,30-31 macht S. KIM, “The
Jesus Tradition in 1 Thess 4,13-5,11â€, NTS 48 (2002) 233-235, als
traditionsgeschichtlichen Hintergrund von 1 Thess 4,16-17 plausibel; er zeigt, wie
das “Sammeln†der Erwählten in der Überlieferung von Paulus als Erweckung der
toten Christen verstanden werden konnte.
(15) Par Mk 13,26-27/Lk 21,27; vgl. Mk 14,62/Mt 26,64. Das in Mk 13,27/Mt
24,31 verwendete Verb ejpisunavgw erinnert an 1 Thess 4,14. – 1 Kor 15,22-
23.51-52 verarbeitet zwar formal parallel eine vergleichbare Tradition (ebenfalls
als besonders autorisierte Aussage gekennzeichnet, Lebende und Verstorbene in
gleicher Erfahrung verbunden, als Beleg apokalyptische Bilder), interpretiert sie
jedoch mit dem “Geheimnis†der Verwandlung.
(16) Für diese Identifizierung z.B. auch G. HAUFE, Der erste Brief des Paulus
an die Thessalonicher (ThHK 12/I; Leipzig 1999) 78-79 (mit Lit. in Anm. 78); E.
LOHSE, Paulus. Eine Biographie (München 22003) 69; J. BECKER, Paulus. Der
Apostel der Völker (UTB 2014; Tübingen 31998) 152; NICHOLL, Hope, 32-33.
Vgl. MALHERBE, Thessalonians, 273, der aber 269-270 aufgrund der paulinischen
Sprachgestalt kritisch gegenüber traditions- und redaktionsgeschichtlichen
Rekonstruktionen bleibt.
(17) Zur Traditionsrekonstruktion vgl. HOLTZ, 1 Thessalonicher, 198-199;
HAUFE, 1 Thessalonicher, 79.