Ulrich Schmidt, «Zum Paradox vom 'Verlieren' und 'Finden' des Lebens», Vol. 89 (2008) 329-351
Jesus’ paradox of losing and finding one’s life is well attested. According to its contexts, interpreters relate the logion predominantly to martyrdom and death. But a closer look reveals that this word is an assertion in favour of life which functions as a maxim of Jesus’ teaching and view of life. It is the context many of his sayings and behavorial patterns. The issue of a 'recompense' after death is merely a consequence of the original intention.
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aus. Von daher scheint es angebracht, dem Paradoxon erneut
Aufmerksamkeit zu schenken (17).
II. Akzentverschiebungen
Drei Mal erscheint das Logion im Verbund mit der ersten
Leidensankündigung, dem Kreuz-Wort und der Sorge, die yuchv
könnte Schaden nehmen: Mt 16,24-26; Mk 8,34-37 und Lk 9,23-25.
Allerdings sprechen diese drei Blöcke nicht unisono, sondern enthalten
— im Blick auf unsere Fragestellung — nicht unwesentliche
Variationen und Fingerzeige. Beginnen wir mit Lukas! In Lk 9,23 wird
das dem Paradoxon vorausgehende Kreuz-Wort mit einem eingefügten
kaqΔ hJmevran dahingehend gewichtet, dass es um eine täglich bzw.
grundsätzlich einzunehmende Haltung geht (18), und darunter wird
kaum eine täglich zu bejahende Bereitschaft zum Martyrium zu
verstehen sein. Dem korrespondiert auch Lukas’ zweite Verwendung
des Paradoxons: In Lk 17,33 wird das Logion im Kontext von
Erwägungen zur Endzeit platziert, und wird da nicht im Sinne von
Verfolgung und Martyrium (19), sondern hinsichtlich einer Distan-
zierung von allen irdischen Größen begriffen, so dass der plötzlichen
Ankunft des Menschensohns, die ja nach Lk 17,24 wie ein Blitz
erfolgen soll, entsprochen werden kann.
Bei Matthäus findet sich euJrivskw statt swvzw. Dies ist in Mt 16,25
nur in Satz (2) der Fall, in Mt 10,39 jedoch in beiden Zeilen des
Paradoxons: oJ euJrwvn th;n yuch;n aujtou' ajpolevsei aujthvn, kai; oJ
ajpolevsa" th;n yuch;n aujtou' ... euJrhvsei aujthvn — ein Sachverhalt, der
gerne mit Q in Verbindung gebracht wird — (20). Dabei wirkt ein
(17) Dies haben bereits getan BEARDSLEE, “Saving one’s Lifeâ€, REBELL, “Sein
Leben verlierenâ€, N.F. SANTOS, “Jesus’ Paradoxical Teaching in Mark 8:35; 9:35;
and 10:43-44†BS 157 (2000) 15-25.
(18) Vgl. nur H. KLEIN, Das Lukasevangelium (KEK I/3; Göttingen 102006)
341; E. SCHWEIZER, Das Evangelium nach Lukas (NTD 3, Göttingen 1982) 103;
H.W. KUHN, “staurov"â€, EWNT (21992) III, 642. Dem entspricht auch Lk 14,27,
insofern dort eine Neubewertung sozialer Beziehungen gefordert wird.
(19) Ebenso SCHWEIZER, Lukas, 182, allerdings mit der Ansicht, Lk denke
“nicht mehr†an Märtyrer.
(20) REBELL (“Sein Leben verlierenâ€, 205), DAUTZENBERG (Sein Leben
bewahren, 52) u.v.a. sehen Mt 10,39 (und Lk 17,33) auf Q, sowie Mt 16,25 (und
Lk 9,24) auf Mk 8,35 zurückgreifen — wobei GRUNDMANN (Das Evangelium
nach Matthäus [THKNT 1; Berlin 61986] 299]), Mt 10,39 ebenso auf Q
zurückführt (ebd., 400), in Mt 16,25 eine Angleichung der markinischen Form im
Sinne “der Q-Fassung 10,39†sieht.