Ulrich Schmidt, «Zum Paradox vom 'Verlieren' und 'Finden' des Lebens», Vol. 89 (2008) 329-351
Jesus’ paradox of losing and finding one’s life is well attested. According to its contexts, interpreters relate the logion predominantly to martyrdom and death. But a closer look reveals that this word is an assertion in favour of life which functions as a maxim of Jesus’ teaching and view of life. It is the context many of his sayings and behavorial patterns. The issue of a 'recompense' after death is merely a consequence of the original intention.
Zum Paradox vom “Verlieren†und “Finden†des Lebens 335
einer Gefährdung zu wehren sucht. Als “primärer†Bezugspunkt eines
solchen Mühens erscheint yuchv in Verbindung mit qevlw sw'sai (Mt
16,25a; Mk 8,35a; Lk 9,24a), allein mit swvzw (Mk 8,35b; Lk 9,24b —
Mk 3,4; Lk 6,9) (28), mit euJrivskw (Mt 10,39a — Mt 10,39b; Mt
16,25b)(29), mit zhtevw peripoiei'n (Lk 17,33a), mit zwogonei'n (Lk
17,33b), und schließlich mit ktavomai (Lk 21,19). Auch die Wendungen
mh; merimna'te th/' yuch/' uJmw'n (Mt 6,25; Lk 12,22) und euJrhvsete
ajnavpausin tai'" yucai'" uJmw'n (Mt 11,29) sollen hier nicht unerwähnt
bleiben. Diese Belege verweisen auf eine Gedankenfigur, die
semantisch auf unterschiedliche Weise realisiert wurde.
Zunächst noch ein Blick auf Verwendungen, die außerhalb des
Paradoxons begegnen! Lukas bietet in 21,12-19 Ãœberlegungen zur
Bewältigung von Verfolgung. Darin gebraucht er Elemente, die wir
bereits im Kontext des Paradoxons beobachtet haben (30), und er
schließt mit der Aussage ejn th/' uJpomonh/' uJmw'n kthvsasqe ta;" yuca;"
uJmw'n. Bemerkenswerterweise artikuliert dieser Satz, trotz der zuvor
angedeuteten Tötung “mancher†der Angesprochenen (V. 16b), nicht
ein Ãœberdauern bzw. positives Ãœberwinden des Todes, sondern die
Bewahrung des Lebens im Angesicht der Todesgefahr (31).
Auch die Verbindung von swvzw mit yuchv begegnet außerhalb des
Paradoxons. Dies ist in der Perikope von der Heilung der “verdorrten
Hand†in einer Synagoge der Fall (Mk 3,1-6 parr.). Dort wird in Mk 3,4
par. Lk 6,9 gefragt: “Ist es erlaubt am Sabbat Leben (yuchv) zu erhalten
(swvzw) oder zu verderben?â€. Bei Matthäus findet sich stattdessen die
Frage nach der Berechtigung, ein Schaf am Sabbat aus der Grube zu
holen (Mt 12,11). An allen drei Stellen steht die Absicht im
Vordergrund, individuellem Leben Gutes angedeihen zu lassen (32) —
was in Mt 12,12 auch ausdrücklich angefügt wird (“Darum darf man
am Sabbat Gutes tun [kalw'" poievw]“) — und nicht die Intention, eine
Todesgefahr abzuwenden. “Nicht nur Lebensrettung, sondern auch
Lebensförderung†(33) ist hier avisiert. Das ist umso mehr zu beachten
(28) Swzw aujthvn (Mk 8,35b; Lk 9,24b) und yuchvn swvsai (Mk 3,4; Lk 6,9).
v
(29) EuJrivskw th;n yuchvn (Mt 10,39a) und euJrivskw aujthvn (Mt 10,39b; Mt
16,25b).
(30) Lk 21,12.17 “um meines Namens willenâ€; V. 14 “nicht vorher sorgenâ€
(wenn auch nicht mit merimnavw formuliert sondern mit promeletavw); V. 16
Zerwürfnis mit Familie und Freunden.
(31) Vgl. J. NOLLAND, Luke 18:35-24:35 (WBC 35C; Dallas, TX 1993) 998.
(32) Vgl. NOLLAND, Luke 1-9:20, 261: yuchv habe hier “overtones of the worth
and dignity of human life.â€
(33) THEISSEN – MERZ, Der historische Jesus, 325.