Ulrich Schmidt, «Zum Paradox vom 'Verlieren' und 'Finden' des Lebens», Vol. 89 (2008) 329-351
Jesus’ paradox of losing and finding one’s life is well attested. According to its contexts, interpreters relate the logion predominantly to martyrdom and death. But a closer look reveals that this word is an assertion in favour of life which functions as a maxim of Jesus’ teaching and view of life. It is the context many of his sayings and behavorial patterns. The issue of a 'recompense' after death is merely a consequence of the original intention.
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als Lukas hier drei der im Paradoxon verwendeten Lexeme, neben
yuchv und swvzw auch noch ajpovllumi, aufweist. Zwar bietet Mk 3,4
apokteinw, das Verb wird aber hier im übertragenen Sinn zu verstehen
j v
sein (34). (Eine Diskussion darüber, ob das lukanische ajpovllumi oder
das markinische ajpokteivnw ursprünglicher sein mag (35), ändert
deshalb im Blick auf die intendierte Aussage nichts.) Ist an dieser
Stelle, Mk 3,1-6 parr., kein Todesbezug zu finden, so sind mögliche
Rückschlüsse auf die Bedeutung des Paradoxons zu erwägen.
Fasst man das Lexem swvzw isoliert ins Auge, und konsultiert nun
dazu Bauer/Aland, so findet man dort als Gesamtbedeutung
“unversehrt erhalten, bewahren, erretten†angegeben, und zwar
zunächst: “1. vor natürl(ichen) Gefahren und Nöten bewahrenâ€, in den
Bedeutungsnuancen: “a. vor dem Tode bewahrenâ€, “c. von Krankheit
... befreienâ€, oder “b. heil herausführen aus einer Lage†bzw. “d.
bewahren, in gutem Zustand erhalten†(36). Dabei findet sich das
Paradoxon unter die Bedeutung “vor dem Tode bewahrenâ€
eingeordnet. Lassen schon die Beobachtungen zur Verwendung von
yuchv sowie zu Mk 3,4 par. Lk 6,9 diese Kategorisierung als
zweifelhaft erscheinen, so kommt noch hinzu: Der Todesbezug des
Lexems wird — zumindest im Neuen Testament — ausnahmslos durch
den Kontext markiert, wie etwa beim Hilferuf des sinkenden Petrus
oder beim Gespött der Gaffer unter dem Kreuz Jesu (37). Der jetzige
Kontext des Paradoxons aber ist, wie bereits deutlich gemacht werden
konnte, nicht der ursprüngliche.
Im Vordergrund beim yuchv-Gebrauch unseres Logions steht
demnach — negativ formuliert — eine Gefährdung, Bedrohung oder
Infragestellung der yuchv während der irdischen Existenz, bzw. —
positiv gewendet — (die Abwendung der Bedrohung insofern) die
Ermöglichung einer “geheilten†oder “beruhigten†yuchv.
Als fragliche Größe der irdischen Existenz wird die yuchv etwa in
(34) Vertreten wird auch: Dies sei (1) eine Anspielung auf Tötungsabsichten
(so E. LOHMEYER, Das Evangelium des Markus [KEK I/2; Göttingen 151959] 69;
GRUNDMANN, Markus, 96); (2) ein Schluss “vom Recht auf Selbstverteidigung am
Sabbat ... auf das Recht der Heilung am Sabbat†(so THEISSEN – MERZ, Der
historische Jesus, 329).
(35) DAUTZENBERG, Sein Leben bewahren, 158, fasst die lukanische Fassung
als “Übersetzungsvariante†zum markinischen ajpokteivnw auf.
(36) BAUER – ALAND, Wörterbuch, 1591-1593.
(37) ÔSwvzw im Sinne der Abwendung einer Todesgefahr im Hilferuf des
sinkenden Petrus: Mt 14,30; im Gespött der Gaffer: Mt 27,40.42.49; Mk 15,30-31;
Lk 23,35.37.39.