Ulrich Schmidt, «Zum Paradox vom 'Verlieren' und 'Finden' des Lebens», Vol. 89 (2008) 329-351
Jesus’ paradox of losing and finding one’s life is well attested. According to its contexts, interpreters relate the logion predominantly to martyrdom and death. But a closer look reveals that this word is an assertion in favour of life which functions as a maxim of Jesus’ teaching and view of life. It is the context many of his sayings and behavorial patterns. The issue of a 'recompense' after death is merely a consequence of the original intention.
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meist mit “Leben†oder “Seele†(24) und in der Sekundärliteratur
gelegentlich mit “Existenz†oder “Self†(25) wiedergegeben. Will man
weder moderne Erwägungen eintragen noch hellenistischen
Seelenkonzeptionen zu viel Raum geben, so wird man wohl zuerst
nach der Verwendung des Lexems in der synoptischen Tradition zu
fragen haben (26). Da zeigt sich, dass die yuchv als gefährdete bzw.
bedrohte Größe gekennzeichnet wird. Davon weichen nur die Belege
in alttestamentlichen Zitaten (Mt 12,18; Mt 22,37 parr. Mk 12,30; Lk
10,27) und im Lobgesang Marias (Lk 1,46) ab. Ansonsten ist durchweg
die Gefährdung deutlich: von den Kindheitsgeschichten angefangen
bis zum Ringen Jesu im Garten Gethsemane.
Allerdings werden immer dann, wenn bei der Gefährdung der
yuchv der leibliche Tod eine Rolle spielt, entsprechende Lexeme ins
semantische Geflecht eingeführt, die diesen Akzent unmiss-
verständlich hervortreten lassen. Bei der Aufforderung des Engels an
Josef zur Rückkehr aus Ägypten, Mt 2,20, ist es der rückwärtige
Zusammenhang mit dem Kindermord, der den Hinweis verständlich
macht, dass diejenigen tot sind, die nach der yuchv des Kindes
getrachtet (zhtevw) haben. In Mt 10,28 zeigen ajpokteivnw to; swvma und
geevnna an, worum es geht, und in Mt 20,28 parr. Mk 10,45 ist es der
terminus technicus für die Lebenshingabe divdwmi th;n yuchvn (27); im
Gethsemane-Gebet Jesu, in Mt 26,38 parr. Mk 14,34, wird die Furcht
vor dem Tod, qavnato", explizit ausgesprochen. Bei Lukas kommt in
2,35 Simeons Prophezeiung vom Schwert, das Marias yuchv
durchdringt, hinzu, und in 12,20 wird der leibliche Tod des reichen
Kornbauern sowohl durch die Wendung ajpaitevw th;n yuchvn sou ajpo;
sou': als auch durch die Frage, wem dann das von ihm Angehäufte
gehören soll, unmissverständlich angezeigt.
Das Bild wird noch klarer, wenn man untersucht, in welchen
semantischen Verbindungen das Lexem yuchv bei Aussagen über ein
— vermeintlich oder tatsächlich — positives Bemühen vorkommt, das
(24) Die Lutherübersetzung (1984) gibt yuchv etwa Mt 2,20; 6,25; 10,39;
16,25; 20,28 mit “Leben†und Mt 10,28; 11,29; 12,18;16,26; 22,37; 26,28 mit
“Seele†wieder.
(25) Zu “Existenz“ siehe nur DAUTZENBERG (Sein Leben bewahren), und zu
“Self†etwa J. NOLLAND, Luke 1-9:20 (WBC 35A; Dallas, TX 1989) 68, 686.
(26) Das Lexem wird verwendet in Mt 2,20; 6,25[2]; 10,28[2].39[2]; 11,29;
12,18; 16,25[2].26[2]; 20,28;22,37; 26,38; Mk 3,4; 8,35[2].36.37; 10,45; 12,30;
14,34; Lk 1,46; 2,35; 6,9; 9,24[2]; 10,27;12,19[2].20.22.23; 14,26; 17,33; 21,19.
(27) Vgl. W. HAUBECK, “luvtronâ€, TBLNT (Wuppertal 21997) I, 361-364; V.
HAMPEL, Menschensohn und historischer Jesus (Neukirchen–Vluyn 1990) 322,
326-331.