Ulrich Schmidt, «Zum Paradox vom 'Verlieren' und 'Finden' des Lebens», Vol. 89 (2008) 329-351
Jesus’ paradox of losing and finding one’s life is well attested. According to its contexts, interpreters relate the logion predominantly to martyrdom and death. But a closer look reveals that this word is an assertion in favour of life which functions as a maxim of Jesus’ teaching and view of life. It is the context many of his sayings and behavorial patterns. The issue of a 'recompense' after death is merely a consequence of the original intention.
Zum Paradox vom “Verlieren†und “Finden†des Lebens 333
Verständnis von euJrivskw als “finden“ — zumindest in Satz (1) —
heikel, sofern es an Zufall denken lässt. Angemessener ist das Lexem
an dieser Stelle als “für sich finden, sich verschaffen, erlangen†zu
begreifen (21), also im Sinne eines Zugewinns. So dürfte hier ein Finden
zum Ausdruck gebracht werden, dem ein Suchen, ein Bemühen
vorausgeht — also ein Finden als (Dazu-) Gewinnen, das deutlich von
einem Sichern, Retten oder Erhalten der yuchv zu unterscheiden ist.
Satz (1) kann so nur schwerlich als ein Zurückschrecken oder
Ausweichen vor Todesgefahr verstanden werden, sondern bezeichnet
dann ein engagiertes Mühen um die yuchv.
Mit diesen Indizien lichten sich die “Schatten des Todesâ€, die sich
angesichts der kontextuellen Verknüpfung über das Logion zu legen
drohen. Zunächst muss freilich noch offen bleiben, ob diese Indizien
möglicherweise auf eine spätere Akzentverschiebungen zurückgehen
oder doch eher etwas Ursprüngliches bewahrt haben. Dass das
Paradoxon in Q, nach weithin akzeptierter Ansicht, wohl mit euJrivskw
formuliert war (22), spricht indes immerhin wahrscheinlich für
Letzteres.
III. Semantisches Inventar
Von diesen ersten Beobachtungen ausgehend, drängt sich die Frage
auf, ob denn die generelle Semantik des Paradoxons überhaupt den
physischen Tod als den entscheidenden oder wesentlichen
Bezugspunkt nahe legt.
Yuchv ist ein schillerndes Lexem, das weder im hellenistischen
noch im neutestamentlichen Kontext eine einheitlich Konzeption
repräsentiert (23). Dementsprechend wird das Wort in Übersetzungen
(21) So W. BAUER und K. u. B. ALAND (Wörterbuch zum Neuen Testament
[Berlin u.a. 61988] 659), die Mt 10,39 und 16,25 als Belegstellen nennen; ebenso
H. PREISKER (“euJrivskw†TWNT II, 767-768, 767). LUZ (Mt 8-17, 145),
argumentiert entgegengesetzt: euJrivskw mache deutlich, “daß es um etwas geht,
was man sich nicht verschaffen, sondern nur erlangen kannâ€, was “an den Tod und
das ewige Leben†denken lasse.
(22) Vgl. nur FLEDDERMANN, Q, 763-764. Dagegen favorisiert NOLLAND (Luke
9:21-18:34, 478), die markinische Fassung als die ältere wegen “(t)he sense of a
critical situationâ€.
(23) Vgl. nur D.E. AUNE, “Human Nature and Ethics in Hellenistic
Philosophical Traditions and Paul. Some Issues and Problemsâ€, Paul in his
Hellenistic Context (Hrsg. T. ENGSBERG – PEDERSEN) (Minneapolis, MN 1995)
291-312, der (ebd., 292-297) die Veränderung des mit yuchv Bezeichneten bei
Plato und Aristoteles selbst skizziert.