Lukas Stolz, «Das Einführen des Erstgeborenen in die 'oikoumene' (Hebr 1,6a)», Vol. 95 (2014) 405-423
The meaning of the firstborn's ei)vsagwgh/ into the oi)koume/nh in Hebrews 1,6a is greatly disputed. Proposed interpretations are the presentation of the Son after the creation, his incarnation, his baptism, his exaltation and his parousia. The arguments seem to speak for the lastmentioned and against the currently very popular exaltation reading.
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Deutung doch sehr unwahrscheinlich. Selbst Bleek hat später Abstand
davon genommen 2.
2. Die Inkarnation
Dass sich die eivsagwgh, des Erstgeborenen in die oivkoume,nh auf
die Fleischwerdung des Sohnes Gottes bezieht, ist seit Athanasius
und Chrysostomos von vielen älteren Auslegern postuliert worden
(so z. B. auch von Thomas Aquinas und Luther) 3. In der neueren
Forschung vertreten diese Position unter anderen Vitti, Spicq, Mon-
tefiore, Attridge, Hughes und McKnight 4.
Grundlegend für diese Interpretation ist, dass man pa,lin nicht
als ein temporales Adverb zu eivsaga,gh|, sondern ― wie in V.5 ―
als Zitateinleitungsformel versteht und auf le,gei bezieht 5. Weiter
machen die Vertreter der Inkarnationsthese geltend, dass die Kon-
struktion o[tan mit Konjunktiv Aorist (eivsaga,gh|) nicht zwingend
futurisch gedeutet werden müsse (mit Verweis auf 1 Kor 15,27) 6
oder dass, wenn die Konstruktion doch ein futurum exactum sein
müsse, der zukünftige Zeitpunkt nicht von der Position des Hebr
her zu sehen sei, sondern von der des alttestamentlichen Autors,
der zitiert wird 7.
Als ein zentrales Argument für die Inkarnationsthese (und gegen
die vielvertretene Erhöhungsthese, siehe unten) führt Attridge an,
dass sie den “normalen” (naheliegenderen) Sinn von oivkoume,nh als
“inhabited human world” ernst nehme 8. Spicq weist weiter darauf
2
In seinem späteren Kommentar vertritt er die Inkarnationsthese; vgl.
F. BLEEK, Der Hebräerbrief (Elberfeld 1868) 108.
3
Vgl. dazu H. BRAUN, An die Hebräer (HNT 14; Tübingen 1984) 36.
4
Vgl. A. M. VITTI, “Et cum iterum introducit Primogenitum in orbem ter-
rae”, VD 14 (1934) 306-312; C. SPICQ, L’Épitre aux Hébreux (Paris 1952) II,
17; H. MONTEFIORE, A Commentary on the Epistle to the Hebrews (BNTC
16; London 1964) 45-46; PH.E. HUGHES, A Commentary on the Epistle to the
Hebrews (Grand Rapids, MI 1977) 60; H.W. ATTRIDGE, The Epistle to the Hebrews.
A Commentary on the Epistle to the Hebrews (Hermeneia; Philadelphia, PA
1989) 55-56; E. MCKNIGHT – Chr. CHURCH, Hebrews-James (SHBC; Macon,
GA 2004) 48.
5
Vgl. z. B. SPICQ, Hébreux, 17.
6
Vgl. z. B. ATTRIDGE, Hebrews, 55, Anm. 64.
7
Vgl. HUGHES, Hebrews, 58.
8
Vgl. ATTRIDGE, Hebrews, 56.