Stefan Schreiber, «Eine neue Jenseitshoffnung in Thessaloniki und ihre Probleme (1 Thess 4,13-18)», Vol. 88 (2007) 326-350
Paul’s portrayal of the parousia of Christ in 1 Thess 4,13-18 is induced by a concrete problem of the recently founded community in Thessalonica. So to understand the text means to reconstruct the situation out of which it has been written. A closer look at the argument of 4,13-18 reveals the fact that the event of the parousia is the centre of the problem. After a brief sketch of the recent scholarly discussion, the article gives an overview of ancient conceptions of the hereafter (or their lack, respectively) as the cultural background of the potential reception of the idea of the parousia in Thessalonica. Then the identity building force of this idea as part of the missionary preaching becomes discernible: a Christian identity constituted by a separate hope of life after death and a critical distance to the socio-political reality. In this light the deaths of some community members can be understood as an attack on the identity of the community, which
Paul’s eschatological rearrangement tries to strengthen again.
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wird (Sisyphos, Tantalos). Die Möglichkeiten der Differenzierung
werden zusehends ausgebaut: Ein paradiesisches Elysium bzw. der
Himmel werden (z.B. bei Platon; Vergil) zum Aufenthaltsort der
“guten†Seelen. Vergil nimmt auch (wohl aus platonischer Tradition)
den Gedanken der Seelenwanderung nach tausend Jahren Aufenthalt
der Seele in der Unterwelt auf (43). In der römischen Kaiserzeit ist es
möglich, an eine Vergöttlichung bzw. Heroisierung der Toten zu
denken, die somit am unsterblichen Leben der Götter teilhaben; das
schlägt sich z.B. in Sarkophag-Darstellungen nieder (44), aber auch in
der Konsolationsliteratur (45). Wenn Tote als Heroen angesprochen
werden (46), ist vorausgesetzt, dass sie zur Gemeinschaft mit den
Göttern erhoben wurden. Zu bedenken ist allerdings, dass die Formel
und Klischeehaftigkeit der Sprache in Grabepigrammen die
Aussagekraft solcher Bezeichnungen für den tatsächlichen Glauben
des einzelnen relativiert.
Die Bestattung der Toten galt als Voraussetzung für ihren Eintritt
ins Jenseits. So spiegeln Bestattungsriten die Auffassung des Todes als
Wandel und Ãœbergang in eine andere Existenzweise. Die Praxis der
Totenspeisung am Grab eines Toten belegt z.B. den Glauben an eine
Form von Weiterleben der Seelen (47). Darstellungen des Jenseitsmahls,
die besonders im Kontext von Mysterienkulten zu finden sind, zeigen
Verstorbene im Jenseits zu Tisch liegend. Diese sich dem Mythos
verdankenden grundlegenden Vorstellungen haben das Bewusstsein
der antiken Bevölkerung (und damit auch der Bewohner von
Thessaloniki) stark geprägt.
Man darf aus diesen Beobachtungen nun aber nicht auf eine
allgemein positive Jenseitserwartung im 1. Jh. schließen. Die vielen
erhaltenen Grabepigramme belegen ein ausgesprochen breites
Spektrum. So sehr sich in Grabepigrammen positive Vorstellungen, z.B.
(43) Vgl. LEHTIPUU, “Imageryâ€, 141. Eine Vorstellungsmöglichkeit von Seelen
zeigen Abbildungen menschengestaltiger, aber kleinerer und nahezu
durchsichtiger Flügelwesen auf Grabvasen.
(44) Dazu J. RÜPKE, Die Religion der Römer (München 2001) 70-72.
Inschriftliches Material bei PERES, Grabinschriften, 106-261.
(45) So Plutarch, Cons. ad Apoll. 108d.120b-d.121-122; Seneca, Cons. ad
Marc. 25,1; 26,3; Cicero, Tusc. 1,75. Weitere Beispiele bei MALHERBE,
Thessalonians, 278.
(46) Belege bei PERES, Grabinschriften, 89-96.
(47) Vgl. KLAUCK, Umwelt, I, 73-76. Im 1. Jh. war im Westen (Rom)
Feuerbestattung, im Osten (also auch in Thessaloniki) Erdbestattung üblich,
wobei sich letztere allmählich durchsetzte.