Wolfgang Schütte, «Die Amosschrift als juda-exilische israelitische Komposition», Vol. 93 (2012) 520-542
The oracles of Amos written in the 8th century BCE were brought from the Kingdom of Israel to Judah after the fall of Samaria in 720 BCE. We think that the Israelites in «exile» in Judah were hoping for a restoration at that time. The Book of Amos can be interpreted in this context: it explains the feelings of Israelite refugees in Judah (Amos 1-2), the responsibility of the Israelite elite for the disaster (Amos 3-6), the reason why the people bear the consequences of the catastrophe (Amos 7), and why there is hope for the refugees in Judah, but not for the exiles in Assyria (Amos 8-9).
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beuterischen Verhaltens (Am 8,7). So dürfte “Jakob†für “Israelâ€, die
führenden Kreise des Landes, stehen 34. Auch Hos 12,3-15 zeichnet
den Stammvater Jakob als zweifelhaftes Vorbild für eine wohlha-
bende Kaufmannsschaft. Jeremias erkennt in Gottes Schwur bei “Ja-
kobs Stolz†(Am 8,7) ein aus Am 6,8 entwickeltes Sprachspiel, das
eher für hos. Überlieferung typisch sei und auf die Redaktion ver-
weist, die beiden Schriften vereinte 35.
Wenn die Visionen in Am 7,2.5 die Kleinheit Jakobs betonen, so
spielen sie mit dem Motiv von Schwachheit und Erwählung Jakob-
Israels (vgl. Am 3,2) 36. Zweimal wird die Krise der israelitischen Füh-
rungskreise verhindert. Schließlich bricht sie “inmitten meines Volkes
Israel†auf. Die durch Am 7,9 angekündigte Zerstörung des Landes
verschärft sich nochmals in der vierten Vision (Am 8,1-3). Die vor-
geschaltete Amazjaszene hält fest, dass die religiöse Führung Israels
die schriftprophetische Hilfe “für mein Volk Israel†verhinderte (Am
7,15). Nur so erklärt sich, meiner Auffassung nach, das drohende bit-
tere Los des Volkes. Die Schuld seiner Führung verhinderte ein letztes
helfendes Eingreifen Gottes für sein Volk durch seinen Propheten. Am
8,2 verkündet definitiv, dass das Ende “zu meinem Volk Israelâ€
kommt, nicht aber, dass “das Ende meines Volkes Israel†kommt 37.
IX. Weiteres Prophetenspruchgut und die 5. Vision (Am 8,4‒9,4)
Wenn Am 8,2 den Kern der amosischen Prophetie verkörpert und
Amos den Israeliten nur den “Tod Israels†38 verkünden konnte, er-
hebt sich die Frage, warum die Amosschrift nicht mit Am 8,3 endet,
sondern fortgeschrieben wurde. Propagandisten des Untergangs
gehen entweder selbst in den Untergang oder verstummen, falls sie
die Zeit danach erleben. Die Tatsache, dass die Amosschrift fortge-
Hos 5,5; 7,10 spricht vergleichbar vom “Stolz Israelsâ€. Auch Am 9,8-9
34
und die Michaschrift identifizieren “Jakob†mit “Israelâ€.
Vgl. J. JEREMIAS, “Jakob im Amosbuchâ€, Hosea und Amos (FAT 13;
35
Tübingen 1996) 257-271, 260-265.
Zum Erwählungsmotiv von !jq / “klein†vgl. JEREMIAS, “Jakobâ€, 258-
36
260; mit anderer Terminologie Dtn 7,7.
So betont es G. FLEISCHER, Von Menschenverkäufern, Baschankühen
37
und Rechtsverkehrern (BBB 74; Frankfurt/Main 1989) 412-413.
H.W. WOLFF, Dodekapropheton 2. Joel und Amos (BK XIV/2; Neukir-
38
chen-Vluyn 1969) 368.
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